Im letzten Teil kommen wir zum wohl am meisten unterschätzten, aber immer wichtiger werdenden Aspekt - der sozialen Nachhaltigkeit.
Ich gebe zu, die Thematik der sozialen Nachhaltigkeit löst in der klassischen Immobilienwirtschaft nicht gerade Begeisterungsstürme aus und wird auch schnell in
die ‘linke Ecke’ und damit den Wohnbaugenossenschaften oder auch dem Staat zugeschoben.
Es ist wohl richtig, dass die meisten Wohnbaugenossenschaften sich die soziale Nachhaltigkeit auf die ‘Fahne geschrieben’ haben und diese auch leben. Der Staat nimmt hier (zwangsläufig) seine Verantwortung ebenfalls wahr, wenn auch mit wenig Begeisterung und noch weniger Effizienz. Trotzdem greift diese Denkhaltung zu kurz und die Immobilienbranche verpasst dadurch nicht nur eine wichtige Entwicklung, sondern läuft auch Gefahr, dass die soziale Nachhaltigkeit den Immobilien-Eigentümern über kurz oder lang auf dem Gesetzesweg ‘aufs Auge gedrückt’ wird.
Doch was wird unter sozialer Nachhaltigkeit im Immobilienmarkt überhaupt verstanden? Aus meiner Sicht geht es darum folgende Nutzerbedürfnisse zu befriedigen:
· Ausreichend Wohnraum
· Vielfältiger Wohnraum
· Bezahlbarer Wohnraum
Was ziemlich einfach erscheint, ist doch hochkomplex und wird z.B. vom individuellen Standort, gesetzlichen Vorgaben, Renditedenken oder auch Angebot und Nachfrage beeinflusst. Dabei liegt die Hauptproblematik darin, dass die verschiedenen Interessen nicht koordiniert oder aufeinander abgestimmt werden und dadurch ineffizient bzw. nicht auf eine Gesamtlösung ausgerichtet sind.
Nehmen wir als Beispiel den Staat als ‘Überbegriff für die geltenden Rahmenbedingungen. Dieser wünscht und fördert auf der einen Seite die Vielfalt sowie insbesondere bezahlbaren Wohnraum, erschwert aber die effektive Umsetzung an vielen Orten mit baulichen, denkmalpflegerischen, lärmtechnischen oder nutzungsspezifischen Auflagen derart, dass kaum eine Lösung möglich ist.
Mit der Entspannung auf dem Immobilienmarkt in den vergangenen Monaten, ist grundsätzlich ausreichend Wohnraum vorhanden. Ob dieser am richtigen Ort zur Verfügung steht - also dort wo die entsprechend Nachfrage besteht - ist jedoch ein anderes Thema. Zu erwähnen ist hier zudem das Problem der Wohnraumverteilung, welches insbesondere an urbanen Standorten mit hoher Nachfrage besteht. Obschon daran interessiert in eine kleinere Wohnung zu wechseln, können sich Empty Nesters (Paare nach Auszug der Kinder) einen Umzug gar nicht leisten, da jede andere, kleinere Wohnung teurer käme. Häufig werden günstige Wohnungen zudem nicht an Personen mit knappem Budget vergeben, sondern an ‘Durchschnittsmieter’, welche vermeintlich weniger Aufwand bedeuten…
Eine gewisse Grundvielfalt an Wohnraum ist aufgrund der Bestandesliegenschaften aus unterschiedlichen Bauphasen zwangsläufig gegeben. Etwas schwieriger wird es bei Neubauten, welche meist erstaunlich ähnlich aussehen und auch einen immer gleichen Wohnungsmix für eine ähnliche Zielgruppe aufweisen. Hier fehlt der Immobilienwirtschaft häufig der Mut, den ausgetretenen Pfad zu verlassen, um neue Ideen zu entwickeln und so das Angebot besser auf gesellschaftliche Veränderungen anzupassen. Als Beispiele können zielgruppenspezifischerer, hybrid nutzbarer oder gemeinschaftlich orientierter Wohnraum erwähnt werden. Es wird in diesem Zusammenhang auch interessant sein zu beobachten, welche sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen die Corona-Pandemie in der Zukunft noch haben wird.
Die grösste Herausforderung besteht klar in der Zurverfügungstellung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum. Dabei ist nur schon die Definition eine Herausforderung, ist bezahlbarer Wohnraum doch einerseits abhängig vom Einkommen und andererseits von der individuellen Lebenssituation. Klar ist, dass grundsätzlich jeder Mieter für seine Wohnung einen möglichst günstigen Mietzins bezahlen möchte. Dem gegenüber steht der Vermieter, welcher mindestens einen angemessenen oder besser noch einen möglichst hohen Ertrag für seine Investition bzw. das damit verbundene Risiko erhalten möchte. Noch kompliziert wird es dort, wo Pensionskassen und Vorsorgeinstitutionen in Immobilien investiert sein. Da kann es sein, dass ein Mieter selber einen Interessenkonflikt hat, indem er möglichst wenig Miete zahlen möchte, gleichzeitig aber als künftiger Pensionär von ‘seiner’ Pensionskasse eine möglichst hohe Rente erwartet. Dies zeigt beispielhaft, dass hier ein klassischer Zielkonflikt besteht, der ohne neue Denkansätze und erhöhte Flexibilität nicht gelöst werden kann.
Gefordert sind dabei alle involvierten Parteien, wobei insbesondere der Gesetzgeber mit flexibleren Vorgaben einen grossen Beitrag leisten könnte. Es muss eine Grundlage geschaffen werden, welche neue Wohnmodelle ermöglicht und z.B. Mehrausnützung für Immobilieneigentümer vorsieht, sofern diese diversifizierten, sozial durchmischten und bezahlbaren Wohnraum vorsehen. So würde nicht nur eine breite soziale Abstützung ermöglicht, sondern auch mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen, wovon nicht nur Mieter mit tieferem Einkommen, sondern auch die sich hier engagierenden Immobilieneigentümer und der Staat mit seinen Sozialinstitutionen profitieren würde.
Die soziale Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn basierend auf flexibleren Grundlagen neue Denkansätze entstehen können. Dabei sind insbesondere der Gesetzgeber sowie in der Folge auch die Immobilienbranche gefordert. Auch die Mieter(verband)seite kann ihren Beitrag leisten, indem sie sich einem echten (nicht ideologischen) Dialog öffnet.
Es ist zugegeben ein schwieriger Prozess, aber wie bei jeder Reise beginnt dieser mit dem ersten Schritt…
Kommentar schreiben